MANN ÜBERLEBTE 4,5 TAGE IN TIEFER DOLINE IM DACHSTEINGEBIET


Es waren wohl die schlimmsten 120 Stunden im Leben des 45-jährigen Deutschen Henning K.

Der aus Duisburg stammende Mann meldete seinen Eltern am 03.11.2017, dass er am nächsten Tag zu einer Wanderung aufbrechen werde, sagte aber nicht wo.

Da er normalerweise nie auf Hütten schläft und sich sehr untypischerweise 3 Tage nicht meldete, schlugen die Eltern Alarm und gaben eine Vermisstenanzeige bei der Duisburger Polizei ab.

Danach folgte eine Serie sehr glücklicher Umstände.

Man wusste nämlich überhaupt nicht in welchem österreichischen Gebiet er sich aufhält und da der Mann in der Doline auch keinen Handy-Empfang hatte, gestaltete sich die Suche relativ kompliziert.

Durch die Information, dass der Duisburger seit vielen Jahren in Piding (nähe Salzburg) eine Wohnung hatte und von dort aus immer mit einem Leihwagen unterwegs war, kam die Idee dieses Auto orten zu lassen.
Hier war das Glück schon auf seiner Seite, denn es war eines der wenigen Autos dieser Firma das sich orten lies und es stellte sich heraus, dass es beim Gosausee parkt.
Somit stellten wir Bergretter uns auf eine große Suchaktion im Dachsteingebiet ein.

Um Akku zu sparen schaltete Herr K. sein Handy nach dem er deinen Notruf absetzte, immer wieder aus. Bei jedem Mal einschalten versuchte er sein Glück und rief den Notruf 112 an wo er nach ein paar Tagen teilweise auch durchkam. Jedoch kam nie ein Gespräch zustande da es sehr abgehakt war und das Telefonat nach ca. 3sek ohne wichtiger Information wieder endete.

Daraufhin versuchte man ihn mittels SMS zu erreichen.
Wie durch ein Wunder kam diese Nachricht in der Doline an, und der Mann konnte jetzt das enorm kurze Empfangsfenster nutzen und zurückschreiben wo er ist und die genauen GPS Daten durchgeben.
Das rettete dem Mann das Leben.

Nun der Einsatz aus Sicht der Bergretter:

Am Donnerstag um 0:44 Uhr erschien die Alarmierung auf unseren Handys und wir machten uns, voller Hoffnung auf den Weg Richtung Adamekhütte.
Die große Freude, dass der Mann noch leben könnte stand uns sichtlich ins Gesicht geschrieben.

Durch den starken Schneefall der letzten Tage gestaltete sich der Aufstieg nicht ganz einfach.
Zuerst stapften wir zu Fuß, mit den Ski am Rucksack geschnallt 500 hm Richtung Unglücksort, und dann auf Ski durch die immer tiefer werdenden Schneemassen.
Auch die erhebliche Lawinengefahr und die Gefahr selbst in eine Doline zu stürzen war nicht zu unterschätzen. Es herrschten auch Temperaturen unter dem Gefrierpunkt

Nach ca. 3h erreichten wir dann das große Plateau, das mit hunderten von Dolinen durchlöchert ist. Durch den Schnee und Wind der die letzten Tage herrschte, waren viele zugeschneit bzw. zugeweht.

Für uns hätte jetzt die berühmte Suche der Nadel im Heuhaufen begonnen und es wäre fast unmöglich gewesen in diesem großen Gebiet den Mann zu finden, wenn er nicht die GPS Daten durchgegeben hätte.
 
Durch großen Zufall sah ein Bergretter aus einem sehr kleinem Loch im tiefen Schnee, das nicht größer war als 1x1 Meter ein Licht. Er beugte sich darüber und sah die Stirnlampe des Verletzten entgegenleuchten.

Jetzt kam die riesengroße Erleichterung für uns. In dem ca. 15m tiefen Felsschach befand sich der Alpinist LEBEND und in sehr gutem psychischem Zustand.
Wohlbemerkt, dass Herr K. nicht weniger als 4 Tage & 5 Nächte mit einem gebrochenen Sprunggelenk, eine ausgekugelten Schulter und nur 1,5 Liter Wasser in diesem kalten und feuchten Gefängnis überlebte.
Ein mit viel Freude überzogener lauter „Jawoi“-Schrei unserer Seite war die Folge.

Am Grund der Doline stand knöcheltief das Wasser, das wegen Verunreinigung ungenießbar war. Die Doline war so klein, dass man sich nicht hinlegen konnte, und er somit die Zeit, sitzend, auf seinem Rucksack ausharren musste.

Ein Retter, der auch Sanitäter ist, seilt sich mit Tee und Nahrung zu dem Verletzten ab und versorgte diesen. Er blieb ca. 1,5 Stunden bei ihm. Wir warteten noch mit der Bergung da es in der Höhle wärmer war als draußen. Nach und nach ließ aber dann die Spannung des Abgestürzten nach und sein Zustand verfiel schlagartig.
Jetzt mussten wir schnell handeln und holten ihn sofort mittels Mannschaftszug aus der Doline.
Seine Körperkerntemperatur war zu diesem Zeitpunkt bei 34°C.

Sofort wurde er mit Wärmedecken versorgt und im Bergesack warm eingepackt.
Da es noch eine Weile bis zum Tagesanbruch, wo erst der Start des Helikopters möglich war, dauerte, versorgten wir den Mann und führten mit ihm Gespräche, sodass er bei Bewusstsein blieb.
Sein Zustand besserte sich und er kam schnell wieder auf eine normale Körperemperatur von 36,5 Grad.
  


 

Nach Sonnenaufgang, der nebenbei traumhaft war, wurde er sofort mit dem Rettungshubschrauber ins Klinikum Wels geflogen und Notoperiert.
  


 

Als der Hubschrauber abdrehte und der Mann in Sicherheit war, konnte man bei allen 15 Rettungskräften die Erleichterung spüren und nasse Augen waren in dieser Situation keine Seltenheit.
  

 


Uns wurde vom Klinikum Wels mitgeteilt, sein Zustand sei stabil und er muss noch ca. 2 Tage auf der Intensivstation verbringen.
 Er ernährte sich nämlich nur von einer Hand voll Müsliriegel und somit war er sehr geschwächt.



Viele Leute sprechen jetzt von Leichtsinn des Bergsteigers, aber man kann in diesen Fall nicht wirklich von Leichtsinn sprechen da an diesem Tag (Samstag, 4.11.2017) das Wetter sehr gut war und man auch die Wegmarkierungen noch gut erkennen konnte. Er hatte nur das Pech, dass er an dieser Stelle den schneebedeckten Weg in Richtung Schreiberwandeck um ein paar Meter verfehlte und es dann zu diesem Unglück kam.


Er hatte den Wetterbericht studiert, machte eine gute Tourenplanung (Wichtig!!!) im Vorfeld und war gut ausgerüstet (GPS-Gerät, gute Kleidung, voller Handyakku,..) zu seiner Tour aufgebrochen.



 

Wichtig an dieser Stelle ist auch das man den Angehörigen IMMER erzählt in welchem Gebiet man sich aufhält und welchen Weg man geht.
 Das war ein großer Fehler den Herr K. jedoch machte und ihm beinahe das Leben kostete. 
Nehmt euch diese tragische Geschichte zu Herzen, macht nicht den gleichen Fehler und die Chancen für eine Rettung in Not steigen enorm.
  


 

Viele glückliche Umstände und Zufälle, eine wahnsinnig gute Zusammenarbeit zwischen den Ortsstellen Hallstatt, Obertraun und der Alpinpolizei, sowie eine sehr guten körperlichen und mentale Verfassung des Deutschen waren Indikatoren die zu diesem einmaligem Happy End führten.


Solche Einsätze sind für uns auch Tage danach sehr Emotional und zeigen, das sich all die Mühe, das Üben und trainieren bezahlt macht um, im wahrsten Sinne des Wortes, das Leben der Menschen auch bei so extremen Bedingungen zu Retten. 

 


Jeder einzelne steckt viel Leidenschaft und Fleiß hinein und lebt für dieses Ehrenamt.
  


 

Vielen Dank an die umliegenden Ortsstellen für die gute Zusammenarbeit, an den vielen Spendern und BRD Förderern und an allen Anderen die uns immer freiwillig und tatkräftig unterstützen.

Danke!